Tokyo 2020

02.08.2021

Bei Olympia ist alles möglich

Am Mittwochmorgen startet im Kasumigaseki Country Club das Olympische Golfturnier der Frauen. Die beiden Schweizer Proetten Albane Valenzuela (links) und Kim Métraux wollen mehr als nur dabei sein.

2021-08-03

Die erste Teetime beim olympischen Frauengolfturnier von Tokyo 2020 ist für Mittwochmorgen, 4. August, 0.30 Uhr Schweizer Zeit angesetzt. 60 Spielerinnen aus 35 Nationen sind am Start. Angeführt wird das Feld von Titelverteidigerin In-bee Park (Korea) und der Weltranglistenersten Nelly Korda (USA). Im Feld der Herausforderinnen finden sich mit der Genferin Albane Valenzuela (23 – in der ersten Gruppe mit Startzeit 0.30 Uhr MESZ) und der Lausannerin Kim Métraux (26 – am Mittwoch in der letzten Gruppe mit Startzeit 4.09 Uhr MESZ) auch zwei Schweizerinnen. Zwei Athletinnen, für die mit Olympia ein Traum in Erfüllung geht. Zwei professionelle Sportlerinnen aber auch, für die der Olympische Gedanke des Dabeiseins längst nicht alles ist. Die beiden Schweizerinnen wollen im Kasumigaseki Country Club, gut 70 Kilometer südlich von Tokio gelegen, diese Woche ein Wörtchen mitreden. Swiss Golf hat vor ihrer Abreise mit den beiden gesprochen; das Westschweizer Fernsehen RTS zeigt am Montag, 3. August, um 12.45 Uhr eine Reportage über Kim Métraux, die erst am 22. Juli ins Teilnehmerfeld gerückt ist.

Olympia-Debütantin und eine zweifache Olympionikin
Am 29. Juli sind die beiden Olympionikinnen von Zürich nach Tokio geflogen – Valenzuela in Begleitung ihres Bruders Alexis, der in Tokio als Caddie an ihrem Bag sein wird, Métraux in Begleitung ihres Caddies Alex Williams, der auch auf der LET an ihrem Bag ist, sowie ihres Vaters Olivier Métraux, der bei Olympia die Funktion eines Coachs übernimmt. «Unsere Familienbande sind sehr eng, umso schöner ist es für mich jemanden aus meiner Familie bei diesem Grossanlass an meiner Seite zu haben und die vielen Eindrücke mit meinem Vater teilen zu können», sagt Kim Métraux. Für die Lausannerin sind es die ersten Olympischen Spiele. «Seit dem Tag, an dem Golf wieder ins Olympiaprogramm aufgenommen wurde, war es mein Traum, die Schweiz an Olympischen Spielen zu vertreten», erklärt die 26-Jährige. Doch Rio 2016 war für sie noch zu früh gewesen; damals studierte sie in Florida und gewann in jenem Jahr mit der Schweizer Nationalmannschaft die Silbermedaille bei der Amateur-Teamweltmeisterschaft.
Anders Albane Valenzuela. Sie hatte sich 2016 noch als Amateurin für die Spiele von Rio qualifiziert und als 18-Jährige erste Olympia-Erfahrungen gesammelt. Wenn sie an Rio 2016 denkt, gerät die heute 23-Jährige ins Schwärmen: «Die Eröffnungsfeier im Stadion war das Unglaublichste, was ich bisher erlebt habe. Diese überwältigenden Emotionen, diese unglaubliche Energie, die vom Publikum und den Athleten ausgegangen ist, es war einfach elektrisierend… und irgendwie nicht von dieser Welt.» Dass sie die Eröffnungsfeier bei ihren zweiten Olympischen Spielen verpasste, bedauert Valenzuela.
Die Covid-Schutzmassnahmen des Veranstalters haben eine frühzeitige Anreise der Sportlerinnen und damit einen Einmarsch mit der Schweizer Delegation bei der Eröffnungsfeier (23. Juli) nicht zugelassen. Den Golferinnen steht aber die Teilnahme an der Schlussfeier (8. August) offen. «Ein emotionaler Programmpunkt, auf dem ich mich sehr freue», sagt Kim Métraux.

Gewillt, das Beste zu geben
Wenn es um die sportlichen Ambitionen in Tokio geht, lassen sich die beiden Proetten nicht in die Karten schauen, geben sich eher zurückhaltend. Beide sagen, sie wollen beim Olympischen Golfturnier ihr Bestes geben und jede Sekunde dieses Turniers einfach geniessen. «Ich will 100 Prozent geben – mehr geht nicht», erklärt Valenzuela. «Man muss mit der richtigen Einstellung ins Turnier gehen, die Denkweise muss stimmen und man muss ‘fully comitted’ sein», dann würden sich die Resultate einstellen. Valenzuela, die auf der LPGA spielt, weiss um die Stärke der Konkurrenz: «Es ist hart. Um zu gewinnen, muss man viel besser spielen als die anderen im Feld.» Möglich sei dies durchaus: «Wir haben in den letzten zwölf Monaten viele Überraschungssiegerinnen auf der LPGA und auch bei Majorturnieren erlebt, man weiss nie, wann man selbst den Durchbruch schafft», sagt sie. Und fügt an, sie warte noch auf ihren Durchbruch auf der Tour. «Das ist eine Frage der Zeit – es wird gelingen!»

Olympia oder Major?
Sollte sie den Durchbruch in dieser Woche schaffen, wäre das für Albane Valenzuela das absolut Grösste, das sie sich sportlich vorstellen kann. Auf die Frage, wie wichtig das Olympische Golfturnier für eine Proette ist, ob es mit einem Major gleichzustellen ist, hat die Genferin eine klare Antwort: «Für mich wäre ein Olympiasieg das Karriere-Highlight überhaupt. Eine olympische Goldmedaille ist viel mehr wert, als jeder andere Sieg.» Sie weiss, dass dies nicht alle ihrer Berufskolleginnen und Berufskollegen so sehen. Aber: «An Olympischen Spielen wird bei der Siegerehrung zuerst das Land und erst danach der Name des Athleten genannt; das allein zeigt die Bedeutung, die ein Olympiasieg hat», erklärt die Genferin. Müsste sie zwischen Olympia- und Majorsieg entscheiden, sie nähme die Olympiamedaille.
Kim Métraux sieht das ein wenig anders, räumte vor ihrem Abflug nach Japan aber ein, dies liege möglicherweise daran, «dass ich bislang noch an keinen Olympischen Spielen teilgenommen habe». Trotzdem kann die Lausannerin ihre Meinung zum Thema gut begründen: «Es ist sehr schwierig ein Major und das Olympische Golfturnier miteinander zu vergleichen. Es beginnt schon beim Qualifikationsmodus. Für ein Major qualifiziert man sich über die Weltrangliste oder die Order of Merit der verschiedenen Tours; teilnehmen dürfen die Besten, unabhängig von der Nationalität. Bei Olympia aber dürfen pro Nation maximal vier beziehungsweise zwei Spielerinnen antreten.» In ihren Augen ist ein Majorsieg derzeit wertvoller, «aber ich hoffe, dass Olympia in Zukunft den gleichen Stellenwert bekommen wird».

Die Magie der Spiele …
Unbestritten ist sowohl für Métraux wie auch für Valenzuela, dass Olympischen Spielen etwas Magisches anhaftet. Das grösste Sportereignis der Welt, das Zusammentreffen mit Athleten anderer Sportarten, das Olympische Dorf – das alles hat trotz Covid seinen Zauber nicht verloren. Seit der Eröffnung der Spiele in Tokio verfolgen die beiden Golferinnen die Wettkämpfe der Schweizer Sportlerinnen und Sportler in Tokio mit grossem Interesse und angesichts der Erfolge auch mit sehr viel Freude. «Olympische Sommerspiele sind für mich die coolste Zeit überhaupt, da kann ich so viele Sportarten am Fernsehen verfolgen, die man sonst nie sieht», freut sich Valenzuela.
Seit ihrer Ankunft in Tokio am Freitagabend (Ortszeit) ist der Fokus der beiden Golferinnen aber auf ihren eigenen Sport gerichtet. Beide nutzten die Gelegenheit am Samstag und Sonntag sich die Finalrunden des Herrengolfturniers vor Ort anzuschauen und dabei einen ersten Eindruck vom Platz zu erhalten. Die Damen spielen auf dem gleichen Parcours wie die Herren; am Montag und Dienstag absolvieren sie ihre Proberunden und sammeln wichtige Erkenntnisse zum Platz, den sie bis zum Samstag nur von Fotos kannten. Nun geht es darum, entscheidende Details zu erkunden. «Das Gras ist ein wichtiger Faktor», erklärt Valenzuela.

…und die Hitze Japans
Ein anderer Faktor, der rund um diese Olympischen Spiele zu reden gibt, sind die klimatischen Verhältnisse im Grossraum Tokio. Für die beiden Schweizer Golferinnen kein Problem: «Ich lebte lange in Florida, Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit bin ich mich gewohnt», erklärt Métraux. Valenzuela verweist in dem Zusammenhang auf den aktuellen Wohnort ihrer Eltern – auf den Bahamas sei es auch nicht wirklich kühl. Eher ein Thema war für die 23-Jährige die Zeitverschiebung: «Vor allem, wenn es nach Osten geht», sagt sie. Notfalls helfe Melatonin. Für Kim Métraux ist das kein Problem; sie fliegt regelmässig von den USA nach Europa, ist sich eine Zeitverschiebung von sechs Stunden somit gewohnt.
Das Olympische Golfturnier der Damen führt über vier Runden (ohne Cut); gespielt wird von Mittwoch bis Samstag – und nach längerer Zeit wieder einmal mit der Nationalflagge auf dem Shirt. «Das eigene Land bei Olympischen Spielen zu vertreten, ist die grösste Ehre, die man als Athletin erfahren kann», sagt Valenzuela. Das Schweizerkreuz ist auch auf den Golfbags der beiden Olympionikinnen aufgestickt, welche im Anschluss an die Spiele zu wertvollen Souvenirs werden. Albane Valenzulas Olympiabag von Rio 2016 steht übrigens im Golf Club Genf: «Der Club ist mein Zuhause.»

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